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Die Ruhe ist der Meister der Bewegung

Das Schwere ist die Wurzel des Leichten.
Die Ruhe ist der Meister der Bewegung.

Laozi

Das Schwere ist die Wurzel des Leichten, die Ruhe ist der Meister der Bewegung.
Der Spruch von Laozi beschreibt die Verbindung zwischen Yin und Yang, auf denen in der daoistischen Philosophie alles beruht in dieser Welt. Yin und Yang stehen für die polaren Gegensätze wie hell und dunkel, männlich und weiblich, Himmel und Erde oder eben wie im Spruch oben, schwer und leicht, Ruhe und Bewegung. In Laozis Aussage wird klar, dass diese Gegensatzpaare sich nicht isoliert gegenüberstehen, sondern verbunden sind und einander bedingen. Kein Yin kann entstehen, wenn es keinen Yang Anteil hat und umgekehrt.

Wo können wir das Taiji aus dem Daoismus in der in der Kampf – und Bewegungskunst Taijiquan wiederfinden und warum ist dieser Spruch von Laozi so treffend dafür?
Im Taijiquan werden diese Gegensätze mit dem Körper ausgedrückt. Je besser wir Yin und Yang körperlich ausdrücken und zwischen ihnen hin und her wechseln können, desto besser ist unser Gongfu (unsere Fähigkeit).

Chen Zhaokui, der Sohn von Chen Fake sagt: «Gemäß der Theorie von Yin Yang gibt es Öffnen und Schließen, Leere und Substanz, hart und weich und Bewegung und Stille und weitere solche Anwendungsmethoden. Die Wechsel sind vielfältig».
Grossmeister Chen Xiaowang spricht in diesem Zusammenhang über die wahre Natur von Taijiquan: « Aufgrund seines Potentials für schnelle Wechsel, besitzt Taijiquan unlimitierte Möglichkeiten und dieser Aspekt macht es zu so einer unergründlichen Kampfkunst».
Eine unergründliche Kampfkunst nennt er es deshalb, weil, wenn jemand die Fähigkeit besitzt, schnell von weich zu hart oder von Leere zu Substanz zu wechseln, demjenigen, der das nicht kann, überlegen ist. Es ist so jemandem möglich, den Gegner ins Leere laufen zu lassen und man ist somit für diesen nicht «lesbar». Der Gegner nimmt die Substanz (Härte) erst wahr, wenn sie unmittelbar da ist und dann ist es zu spät.

Es ist eine zentrale Aufgabe für jemanden, der Taijiquan übt, insbesondere den Zusammenhang von Bewegung und Stille zu erkennen. In klassischen Texten zum Taijiquan wird dies häufig so ausgedrückt: „in der Stille gilt es, die Bewegung zu suchen, und in der Bewegung die Stille“, oder auch „im Boxen gibt es Säulen, in den Säulen gibt es das Boxen, Säulen und Boxen werden eins.“

Die Bewegung in der Ruhe
So wie Ein- und Ausatmen mit ihren Pausen zusammenhängen, beinhaltet das Taijiquan auch statische Positionen, in denen vor allem auf innere Prozesse und Bewegung fokussiert werden kann. In der äußerlichen Ruhe (Stille) des Körpers ist die innere Bewegung wahrnehmbar. Dies kann man direkt am eigenen Leib erfahren, wenn man stehende Säule übt. Obwohl der Körper äusserlich ruhig erscheint, finden viele innere körperliche und geistige «Bewegungen» statt.

Die Ruhe in der Bewegung
Taijiquan ist wie oben in den Zitaten von Chen Zhaokui und Chen Xiaowang erwähnt, die Kampfkunst des Wechsels zwischen Yin und Yang. Es ist unmöglich schnelle agile Wechsel zu vollbringen, wenn wir nicht einen ruhige (stille), zentrierte Mitte (Körperschwerpunkt) haben. Die Bedingung dafür ist, dass wir innerlich abgesenkt und verwurzelt sind und während der äusseren Bewegung auch so bleiben. Dann kann der Kern der eigenen Stabilität aufrecht erhalten werden, sowohl körperlich als auch geistig im Sinne von Präsenz.
Das Schwere wird zur Wurzel des Leichten und die Ruhe der Meister der Bewegung.

Haben wir diesen äusserst ausgewogenen Ort gefunden, erlaubt er uns, nicht nur auf eine Sache fixiert zu sein. Erst jetzt können wir unsere volle Kapazität ausschöpfen und die Fähigkeit von einem Zustand in den anderen zu wechseln nutzen, ohne dass wir die Balance verlieren. Wir sind nicht rigide in unseren Aktionen, weder im Körper noch im Geist, aber flexibel. Egal, ob es ein Gegnerin ist, die vor uns steht und uns angreift oder ob es eine Technik ist, die wir ausführen möchten.

(Dieser Text beinhaltet Auszüge aus einem Artikel von Nabil Ranné: https://taiji-forum.de/taichi-taiji/das-taiji-im-taijiquan/)