San Bao – Drei Schätze
San Bao oder die drei Schätze ist ein altes Konzept der chinesischen Gesundheitslehre, welches ursprünglich aus der daoistischen Philosophie hergeleitet wurde und erste Erwähnung schon in Laozi`s’ Dao De Jing aus dem sechsten vorchristlichen Jahrhundert fand. Es lohnt sich, die drei Schätze durch Qigong, Taiji, Meditation und eine gesunde Lebensweise zu kultivieren, um ein glückliches und erfülltes Leben führen zu können.
Himmel (Yang) – Erde (Yin) – Mensch (Qi)
Laozi`s Betrachtung der Welt wird mit folgenden Worten beschrieben: «Der Sinn (das Dao) erzeugt die Eins. Die Eins erzeugt die Zwei. Die Zwei erzeugt die Drei. Die Drei erzeugt alle Dinge».
Die Eins bezieht sich auf das Dao, die ursprüngliche Einheit, aus der alles entsteht. Sie ist vor- und außerhalb unserer erfahrbaren Welt der Dualität und kann deshalb nicht benannt werden. Die Zwei ist eine abstrakte, eine geistige Größe. Wir nutzen die Dualität, um uns selbst und die Welt denkend und ordnend zu verstehen – zum Beispiel, um unseren Körper von oben bis unten, vorne bis hinten, rechts wie links zu fühlen und zu beschreiben. Die Drei bringt alle Dinge in Erscheinung und erzeugt das Leben. Damit handelt es sich bei der Drei nach Laozi um die Mutter jeder Form, denn es gibt nichts, das nicht wenigstens aus drei Teilen besteht.
Sich selbst und die Welt betrachtend erfährt sich der Mensch auf der Erde als Wesen zwischen Himmel und Erde. Dabei steht die Eins für den Himmel (Yang) in seiner zeugenden, die Zwei für die Erde (Yin) in ihrer hervorbringenden und nährenden Kraft und die Drei steht für den Menschen (Qi). Das ist das Gesetz der Drei. Im chinesischen Denken heißt diese Einheit also Yin, Yang, und Qi oder Himmel, Erde und Mensch.
Im Menschen selbst spiegelt sich die Einheit der Drei, von der alles Leben ausgeht, nach chinesischer Vorstellung durch die Verschmelzung der drei Schätze Jing, Qi und Shen wider.
Jing – Quelle des Lebens (essentielle Energie)
Jing wird mit Dunkelheit und Materie assoziiert und ist somit der Yin Aspekt der drei Schätze und der Erde zugeordnet. Es residiert im unteren Dantian. Auf der Suche nach Unsterblichkeit sind in China Methoden wie Qigong entwickelt worden, welche diese Essenz stabilisieren und festigen.
Jing ist die erste Essenz, die sich aus dem vorgeburtlichen Qi manifestiert. Es ist das erste, was nach der Empfängnis entsteht und Gestalt annimmt. Jing ist der Samen des Lebens, der materielle Aspekt des Körpers. Es bildet die Grundlage des Knochenmarkes, Gehirn, Knochen, Blut, Sperma.
Jing ist die Energie des Wachstums und der Entwicklung und ist für die langfristigen Zyklen des Lebens verantwortlich. Es steuert das Einsetzen der Pubertät, die Menstruation. Seine Abnahme ist für das Einsetzen der Wechseljahre verantwortlich. Jing ernährt das Gehirn und garantiert Konzentration, Denkfähigkeit und Gedächtnis. Es ist Voraussetzung für unsere Abwehrkraft und Vitalität.
Es nimmt in der Kindheit langsam zu, erreicht seinen Kulminationspunkt im Alter von 21 Jahren und nimmt danach ab. Jing ist endlich und verbraucht sich während unseres Lebensweges. Ist das Jing aufgebraucht, bedeutet dies der Tod. Manchmal wird es mit einer Kerze verglichen: Jeder Mensch kommt mit seiner eigenen Form und Größe der Kerze auf die Welt. Je mehr und je schneller wir unser Wachs- (Jing) verbrauchen, desto eher kommt der Moment, an dem die Kerze ihren letzten Schein ausstrahlt.
Jing kultivieren
Gesundes Essen und Bewegung erhalten das Jing körperlich. Gelassenheit und der richtige Umgang mit den Emotionen wirkt auf geistiger Ebene und wird als ausserordentlich wichtig erachtet. Jedes exzessive Verhalten, jede psychische und physische Überanstrengung, die uns «an die Substanz geht», verbraucht Jing. Ein starkes Jing zeigt sich in der Widerstandsfähigkeit des Menschen gegenüber belastenden Faktoren, seien dies Krankheiten, emotionale Belastungen oder Schicksalsschläge.
Qi – Dynamik des Lebens
„Was Qi hat, lebt – was kein Qi hat, stirbt“
Das Qi ist in der Mitte, zwischen den beiden Kräften von Himmel und Erde und wird mit dem Menschen assoziiert. Es ist der neutrale Aspekt der drei Schätze. Das Qi gehört zum mittleren Dantian. Wenn wir das Qi stärken, schützen wir das Jing und fördern das Shen.
Qi wird übersetzt als der Dampf, der entsteht, wenn Reis gekocht wird. Es durchdringt alle Lebewesen und das Universum. Es verbindet Materie und Energie und kann als «Lebensenergie» übersetzt werden. Es ist weder physischer noch geistiger Natur. Qi ist die einzige Konstante in einer sich dauernd verändernden Wirklichkeit. Alles im Universum – sei es organisch oder anorganisch – ist durch Qi definiert. Das Qi im Menschen ist als Energie, die sich im Körper bewegt, zu verstehen. Sie treibt das menschliche Leben an und verleiht ihm Vitalität und Kraft.
Qi kultivieren
Gebildet wird Qi über gesunde Ernährung, genug Schlaf, geistige Übungen wie Meditation und körperliche Übungen wie Qigong und Taiji und tiefe Atmung, die Ausgewogenheit von Aktivität und Ruhe. Dies bedeutet, dass wir durch unsere Lebensweise Einfluss darauf haben können.
Verschiedene Faktoren können den Fluss und die Bildung von Qi behindern und es über kürzere oder längere Zeit schwächen: Überlastung und Überarbeitung in geistiger oder körperlicher Hinsicht, emotionale Faktoren oder wenn wir längere Zeit einem harschen Klima ausgesetzt sind. Auch unregelmäßige oder unausgewogene Ernährung und Umweltverschmutzung oder Strahlung führen zur Schwächung des Qi.
Shen – der Herz – Geist hinter allem
«ein gesunder Geist lebt in einem gesunden Körper»
Shen ist dem Himmel zugeordnet und somit der Yang Aspekt der drei Schätze. Das Shen gehört zum oberen Dantian. Das Shen muss wie Jing und Qi gepflegt werden, damit es klar und ruhig die Umgebung wahrnimmt, adäquat und schnell auf verschiedene Situationen reagieren kann.
Shen bedeutet Geist oder Herz – Geist. Shen ist die am wenigsten materielle Form von Qi und steht für den Intellekt und die ganzen emotionalen, mentalen und spirituellen Aspekte des Menschen. Es kontrolliert das Bewusstsein, Denken, Gedächtnis und Schlaf spiegelt sich in den Augen. Es ist der Glanz der Augen, der sich vermehrt, wenn wir unsere Aufmerksamkeit nach innen richten und Meditation üben. Shen ist abhängig von Jing und Qi. Shen wird assoziiert mit Energie und Licht.
Ein starkes Shen komm von einem gesunden Jing und Qi. Wenn Jing und Qi im Gleichgewicht sind, ist Shen stark. Wenn Emotionen unter Kontrolle sind, ist der Körper gesund. Wenn Shen kultiviert wird, bringt es inneren Frieden und einen gesunden Geist. Der Geist lenkt das Qi. Shen ist der wichtigste der drei Schätze, weil er die höhere Natur widerspiegelt.
Im Daoismus wird manchmal vom kleinen Shen gesprochen, welches in uns Menschen wohnt und sich im besten Fall im Laufe des Lebens immer mehr mit dem übergeordneten spirituellen Prinzip, dem großen Shen (je nach Philosophie | Religion als Dao, Gott, Allah…) verbindet. In diesem Kontext ist Shen die allumfassende Liebe, die im Herzen wohnt, eine spirituelle Ausstrahlung, die ultimativste Ebene der Energie, die im Universum existiert. Das grosse Shen ist keine Emotion oder Geisteshaltung. Er herrscht über die Emotionen und manifestiert sich als allumfassendes Mitgefühl und nicht diskriminierendes, nicht wertendes Bewusstsein.
Shen kultivieren
Verschiedene Einflüsse, wie Stress, nicht ausgedrückte Emotionen, psychoaktive Substanzen oder übermäßige Ablenkungen über Medien trüben den Shen wie ein Weiher, in dem zu viel Sediment treibt oder aufgewirbelt wird. Ein Teil unserer Lebensaufgabe kann und soll es sein, diese Verbundenheit wieder herzustellen, was spirituelle und religiöse Praktiken mit verschiedenen Techniken versuchen.
Weg der Erde – Weg des Himmels
Das Leben entsteht auf dem «Weg der Erde» – von Shen über Qi zu Jing.
Die Einheit der Drei, von der alles Leben ausgeht, spiegelt sich nach chinesischer Vorstellung durch die Verschmelzung der drei Schätze Jing, Qi und Shen wider. Es ist ein Prozess des Werdens, ein Prozess zunehmender Materialisierung. Er bewegt sich ein erstes Mal von oben nach unten und heisst auch «Weg der Erde». Er kommt aus der Ebene des Shen (Geist|Licht|oben) wandelt dazwischen in Qi (Energie|Mitte), um schliesslich unten zu Jing (Essenz|Dunkelheit|Form) zu werden. Shen kann mit einem göttlichen Auftrag verglichen werden, der auf die Erde herabsteigt und den physischen Körper bewohnt.
Das Leben vergeht und Bewusstsein entsteht auf dem «Weg des Himmels» – von Jing über Qi zu Shen.
Geboren beginnt der Mensch selbstständig zu nutzen, was ihm gegeben ist. Selbst wenn es noch eine Zeit der Entwicklung bedarf, bis sich der Mensch seines mitgegebenen Potentials bedienen kann, verläuft dieser Prozess im erwachsenen Menschen als Aufwärtsbewegung umgekehrt von Jing über Qi zu Shen. In zunehmender Entmaterialisierung wird er auch «Weg des Himmels» genannt.
Vereinigung der drei Schätze
In der Vereinigung der drei Kräfte, wird die Brust zum Wohnort des Qi und zum Zentrum des Menschen zwischen oben (drittes Auge -Wohnort des Shen) und unten (Unterbauch -Wohnort des Jing). Das Herz, als Kaiser*in der Organe, hat in seiner Position zwischen oben (Kopf – Verstehen) und unten (Bauch – Erfahren), die Aufgabe, dem Menschen auf der Erde den richtigen Weg zu weisen. Doch wird Shen, der Geist, nur vernommen, wenn der Mensch äußerlich still ist und in sich ruht. Anders ausgedrückt, wenn er im Unterbauch, dem Entstehungsort alles Irdischen, die drei Schätze Jing, Qi und Shen zu einer Kraft vereint. Das Kultivieren solcher Praktiken, ist essenziell, wenn wir den «Weg des Himmels» anstreben.
Im Qigong heisst es:
«Konzentrieren des Geistes trainiert das Qi
trainieren des Qi bringt Essenz (Jing) hervor;
Essenz wandelt sich durch Training in Qi;
Qi wandelt sich durch Training zu Geist (Shen)»
Sitzen oder stehen wir still, üben wir die Vereinigung der drei Schätze. Wichtig dabei ist die aufrechte Haltung der Wirbelsäule. Sitzend oder stehend sind die drei Dantian auf einer Linie übereinander angeordnet und vereint. Gebunden an die Erde, regulieren sie alle Impulse des Nervensystems und harmonisieren Yin und Yang. Deshalb muss der Körper beim Praktizieren in die korrekt ausgerichtete Positionen gebracht werden. Der Geist wird klar fokussiert, so dass alles zu einer integrierten und kompletten Aktion verschmilzt. In der chinesischen Physiologie können Körper, Atem und Herz- Geist nicht voneinander getrennt werden. Alle Drei bedingen einander und sind voneinander abhängig. Das Jing wird gestärkt durch die richtige Ausrichtung des Körpers und korrekte Ausführung der Bewegungen. Das Qi wird durch Atemregulation gestärkt. Das Shen wird durch die richtige mentale Ausrichtung gestärkt. Dann ist es möglich, dass Himmel und Erde im Herzen verbunden sind und der Mensch sich öffnen kann.
(Dieser Artikel basiert auf einer Zusammenstellung und Übernahme ganzer Abschnitte aus verschiedenen Texten. Quellen: Kenneth S. Cohen, Qigong, Fischer Verlag GmbH 2008 , www.ulla-blu.de, www.taiji-forum.de, www.dr.troetscher.com, www.taowork.ch)